Hilfe in der Obermain-Region: Wenn der Partner zum Täter wird

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Meike Hartmann (li.) vom Frauenhaus Coburg-Kronach-Lichtenfels und Karin Burkardt-Zesewitz von der Beratungsstelle Frauennotruf berichteten bei der Webkonferenz des Forums Frauenwelten aus ihrer täglichen Arbeit. Foto: Sabine Raithel

Lichtenfel s/Kronach/Coburg

In einer ersten Web-Konferenz beleuchtete jüngst das Forum Frauenwelten das Thema „Häusliche Gewalt“. Die Fakten seien erschütternd, heiß es. Im Gespräch mit Vertreterinnen des Frauennotrufs und des Frauenhauses Coburg-Kronach-Lichtenfels wurden Präventiv- und Hilfsangebote erläutert.

Er war doch einmal so liebevoll und zugewandt

Eigentlich war es eine „Liebes-Ehe“. Doch dann, über die Jahre, wurde alles anders. Es begann schleichend. Er hatte seinen Job verloren, dann kam Corona. Das Geld wurde knapp. Anfangs war er nur launisch. Dann wurde er immer aggressiver, rastete schon bei Kleinigkeiten aus, zum Beispiel wenn das Geschirr noch nicht gespült war. Dann kam der Alkohol mit ins Spiel. Irgendwann passierte es dann.

Warum? Eigentlich weiß sie das heute auch nicht mehr so genau. Da lag noch ein wenig Spielzeug der fünfjährigen Tochter im Wohnzimmer. Das hat ihn zur Raserei gebracht. Dann schlug er sie. Sie hat es verziehen, weil sie ja wusste, wie er einmal war - so liebevoll und zugewandt. Damals.

Irgendwann gehörten die Schläge, die Tritte, die Beleidigungen und die Demütigungen zu ihrem Alltag. Als er anfing die kleine Tochter zu schlagen, suchte sie sich endlich Hilfe.

„Häusliche Gewalt hat viele Gesichter. Dazu zählen nicht nur Schläge. Körperliche Gewalt ist nur eine Facette eines komplexen Verhaltensmusters, das umfassend auf Macht und Kontrolle zielt.“

Karin Burkardt-Zesewitz, Diplom-Sozialpädagogin

Es sind Geschichten wie diese, die den Mitarbeiterinnen des Vereins „Keine Gewalt gegen Frauen e.V.“ im Frauenhaus, in der Beratungsstelle Frauennotruf und der Interventionsstelle tagtäglich begegnen. Das Thema „Häusliche Gewalt im Schatten von Corona“ hat das Forum Frauenwelten - eine Initiative des Rotary Clubs Kronach und des Lions Clubs Kronach Festung Rosenberg, mit Unterstützung der Volkshochschule Kronach, des Kronacher Kunstvereins sowie der Gleichstellungsstelle des Landkreises Kronach - in einer Web-Konferenz beleuchtet.

Nach der Begrüßung durch Dr. Kerstin Sperschneider, der Präsidentin des Rotary Clubs Kronach und Gastgeberin der Online-Veranstaltung, sprachen Karin Burkardt-Zesewitz von der Beratungsstelle Frauennotruf sowie Meike Hartmann vom Frauenhaus Coburg - Kronach - Lichtenfels mit der Journalistin Sabine Raithel über ihren Arbeitsalltag.

„Häusliche Gewalt hat viele Gesichter“, so Karin Burkardt-Zesewitz, Diplom-Sozialpädagogin, Traumathera-peutin und zertifizierte Stalkingberaterin. „Dazu zählen nicht nur Schläge. Körperliche Gewalt ist nur eine Facette eines komplexen Verhaltensmusters, das umfassend auf Macht und Kontrolle zielt. Betroffene sind häufig auch psychischer Gewalt wie Demütigungen, Drohungen, Einschüchterungen, sozialer Isolation oder wirtschaftlichem Druck durch den Täter oder die Täterin ausgesetzt. Und häusliche Gewalt gibt es überall, unabhängig von sozialem oder finanziellem Status. Häusliche Gewalt ist kein Alleinstellungsmerkmal sozialer Randgruppen.“

Die Pandemie hat die Situation verschärft

Karin Burkardt-Zesewitz: „Corona hat die Situation verschärft. Denn mit einem gewaltbereiten Partner, der die Betroffenen zuhause ständig kontrolliert, fällt der Griff zum Telefon oft noch schwerer. Wir rechnen damit, dass nach dem Lockdown eine Welle von Hilferufen bei uns eingeht.“

Ihr dringender Rat: „Wenn Sie betroffen sind, dann suchen Sie sich unbedingt Hilfe. Wenn es nicht möglich ist, von zuhause aus anzurufen, dann vertrauen Sie sich einer Freundin an oder versuchen Sie, wenn Sie im Supermarkt sind, mit jemandem zu sprechen.“

Die Sozialpädagogin bietet mit ihrem Team betroffenen Frauen und Kindern in der Beratungsstelle Frauennotruf professionelle Hilfe. Das Angebot reicht von der telefonischen Beratung und Information, persönlichen Beratungsgesprächen, angeleiteten Gruppenangeboten, Angehörigenberatung, Begleitung zur Polizei, zu Ärztinnen und Anwältinnen bis hin zu Prozessvorbereitung und -begleitung. Darüber hinaus ist die Bera-tungsstelle auch präventiv tätig und informiert Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen.

Das Frauenhaus kann ein Zufluchtsort sein

Wenn das Leben zuhause Gefahr an Leib und Seele bedeutet, dann ist das Frauenhaus ein Zufluchtsort, an dem betroffene Opfer Sicherheit, Hilfe und Ruhe finden. Das Angebot steht Frauen und Kindern der Landkreise Kronach, Coburg und Lichtenfels offen. Die Adresse ist aus Gründen der Sicherheit anonym. Frauen, die hier aufgenommen werden möchten, rufen zunächst unter Tel. (09561) 861796 an.

„Neben einer sicheren und geschützten Wohnmöglichkeit erhalten Frauen bei uns unter anderem. Unterstützung bei der Alltags- und Krisenbewältigung sowie bei der Stabilisierung der eigenen Fähigkeiten und Stärken. Sie werden zu Ämtern, Behörden, zur Polizei, zum Gericht, zu Anwälten und Ärzten begleitet. Außerdem erhalten sie Hilfe bei der Kontaktaufnahme zu weiteren Fachstellen“, berichtet die Leiterin, Diplom-Sozialpädagogin Meike Hartmann. „Das Frauenhaus bietet Platz für fünf Frauen und 12 Kinder. Der durchschnittliche Aufenthalt im Frauenhaus liegt bei vier bis 12 Wochen - kann aber bei Bedarf auch darüber hinaus gehen. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses sind rund um die Uhr erreichbar.“

Renovierungsbedürftig, beengt, nicht barrierefrei: Mittel zu knapp

„Das Frauenhaus ist in die Jahre gekommen und renovierungsbedürftig. Die Räumlichkeiten sind sehr beengt und es ist nicht barrierefrei. Und bei weiterhin steigenden Fallzahlen benötigen wir mehr Plätze, als wir derzeit vorhalten können. Wir brauchen dringend ein neues Gebäude“, so Angela Platsch, die Vorsitzende des Vereins „Keine Gewalt gegen Frauen“. Angela Platsch erläutert: „Zehn Prozent unseres Haushalts müs-sen wir selbst schultern. Bei steigenden Kosten bedeutet das auch einen steigenden Eigenanteil. Deshalb sind wir auf Zuwendungen angewiesen. Derzeit haben wir 80 Mitglieder. Mit einem Jahresbeitrag von 60 Euro sind unsere Investitionen nicht zu stemmen. Wir freuen uns über jede helfende Hand, über jede Spende - und natürlich über neue Mitglieder. Das können übrigens auch Männer sein. Diese sind jedoch nicht stimmberechtigt.“

Ihr Appell: „Der Schutz von Opfern häuslicher Gewalt und die Einrichtung von Beratungsstellen und Frauenhäusern muss im Gesetz verankert werden. Das ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand!“. Bauen könne sie, so Platsch, auf die Offenheit und Unterstützung des Landkreises Kronach. Im Schulterschluss mit Landrat Klaus Löffler werde noch in diesem Jahr eine Beratungsstelle im nördlichen Landkreis, in Steinbach am Wald, eröffnet.

Deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit nötig

Die Web-Konferenz des Forums Frauenwelten stand allen Interessierten offen. Insbesondere Frauen aus der Politik nutzten die Gelegenheit zur Information und diskutierten rege mit den Vertreterinnen von Frauenhaus und Beratungsstelle. Die Kronacher Kreisrätin Petra Zenkel-Schirmer (Frauenliste), die sich seit Jahren im Kreistag für das Thema stark macht, wies darauf hin, dass die Hilfsangebote deutlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit benötigten. Kronachs Bürgermeisterin Angela Hofmann (CSU): „Die Faktenlage rund um häusliche Gewalt ist erschütternd.“ Sie wies jedoch darauf hin, dass Hilfen der Kommunen hier immer freiwillige Leistungen seien.

Hilfe für Frauen in Not, anonym und vertraulich:

Beratungsstelle Frauennotruf:

Tel. (0951) 90155

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Adresse: Mohrenstraße 15, 96450 Coburg


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